Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund der aktuellen Lage sehe ich mich gezwungen, persönlich eine öffentliche Stellungnahme abzugeben. Ich bin es eigentlich gewohnt, mir Situationen lange anzusehen und meine Kritik eher im Stillen an die direkt betroffenen Personen zu äußern, aber in der aktuellen Situation glaube ich, dass es einer größeren Stellungnahme bedarf.
Die Bundesregierung entschied heute über eine Erlaubnis der Geisterspiele im Fußballbereich. Auch wenn ich selbst das große Interesse am Fußball nachvollziehen kann, so empfinde ich die Entscheidung, die heute getroffen wurde, um unseren ehemaligen Bundestagspräsidenten Herr Norbert Lammert zu zitieren: „ganz vorsichtig, im wörtlichen Sinne: bemerkenswert“. Er äußerte dies als Kommentar auf die Entscheidung des ZDFs und der ARD, die konstituierende Sitzung des 17. deutschen Bundestages nicht zu übertragen und ich kann gewisse Ähnlichkeiten mit dieser Situation feststellen.
Ich bedaure es zu sehen, dass sich unsere Gesellschaft aktuell zu einer Gesellschaft entwickelt, die anstatt von gemeinsam entwickelten und sinnvollen Konzepten, nur noch bis zur Nasenspitze denkend, willkürlich die Löcher stopft, durch die gerade (aufgrund von Lautstärke in der Bevölkerung oder anderweitig auffallend) Wasser in das hoffentlich noch nicht ganz sinkende Schiff dringt.
Ich hoffe sehr, dass für die gesamte Kulturwelt, die zu uns als zivilisierte Gesellschaft untrennbar gehört (dies inkludiert durchaus auch Sportveranstaltungen (aber auch nicht allein den Fußball), aber auch Konzerte, Theater, Oper, Musicals, Film uvm.) schnellstmöglich klare Leitlinien erarbeitet und gemeinsam mit Verantwortlichen sinnvolle Gesamtkonzepte entwickelt werden. Die Eventbranche hat sich schon längst auf Einlass- und Auslassbeschränkungen eingespielt, dies gehört zu unserem Beruf seit wir denken können. Gesundheit und Infektionsschutz gehören zu gut geplanten Veranstaltungen gleichermaßen dazu, wie ein allgemeines Sicherheitskonzept und vieles mehr. Darin sind Veranstalter wahrscheinlich mehr geübt, als der Einzelhandel oder andere Bereiche unserer Gesellschaft. Meine Einkaufserfahrungen der letzten Tage bestätigen dieses traurige Bild leider.
Es erschließt sich weder Veranstaltungs-Zuschauer*innen, Mitarbeiter*innen, Künstler*innen mit denen ich im Gespräch war, noch mir, warum Glaubensveranstaltungen (unter sinnvollen Konzepten) zugelassen, Geschäfte und Gastronomiebetriebe geöffnet und Fußballspiele (bei denen ich mir auf dem Feld kaum sinnvoll umsetzbare Abstandsregelungen vorstellen kann) erlaubt werden, wenn noch kein sinnvolles Konzept für die Durchführung von Kulturveranstaltung im Allgemeinen vorliegt. Die meisten sehen den allgemeinen Infektionsschutz als sinnvoll an und fühlen sich damit auch sicher. Eine erste Lösung für Museen wurde zumindest bereits getroffen.
Ich bin die letzten Wochen in unbeschreiblichem Maße mit Schicksalen von Künstler*innen konfrontiert worden und kann nur hoffen, dass diese Wege finden, ihren Hausstand, ihre Familie, ihre Selbstständigkeit oder ihr Unternehmer*innen-Dasein zu halten. Ich habe versucht – mit den Möglichkeiten, die ich, die meine Kontakte und die mein Unternehmen besitzen – bestmöglich zu helfen.
Es liegt mir fern, eine Revolution zu starten. Ich habe schon immer einen diplomatischen Ansatz bevorzugt und hoffe auch weiterhin, dass die Bundes- und Landesregierungen mit den wichtigen Organen der Kulturlandschaft (ohne Wertung und Anspruch Vollständigkeit möchte ich den deutschen Bühnenverein, die Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger, den bzw. die Tonkünstlerverbände und Vertreter*innen der freien Szene nennen) alsbald gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten, damit wir weiterhin für unsere Zuschauer*innen da sein können.
Mit künstlerischen Grüßen
Andreas Manfred Gebhard